Kultur und Wein

Das beschauliche Magazin


Romanzen von Rimsky-Korsakov und Tschaikowsky standen auf dem Programm. Der Abend geriet zu einer Sternstunde, nicht nur wegen des genialen Zusammentreffens von zwei ganz Großen und nicht nur wegen der exklusiven Auswahl bei uns selten gehörter Werke, sondern in erster Linie wegen einer Netrebko, die sich mit diesen Liedern weit weg vom üblichen Arien-Business bewegt  und dem Zuhörer erlaubt hat, sie bei diesem innigen Besuch in ihrer Seelenheimat zu begleiten.

Der Mitschnitt dieses Liederabends ist unter dem Titel „In the Still of Night“ als CD (Deutsche Grammophon) erschienen. Die Liedtexte und deren englische Übersetzung können als pdf von www.deutschgrammophon.com/netrebko-inthestillofnight heruntergeladen werden (nähere Anleitungen dazu finden sich im Booklet).

Netrebko und Barenboim: Lieder von Rimsky-Korsakow und Tschaikowsky 

In der Stille der Nacht

Vom „Traum einer Sommernacht“ war die Rede gewesen, als Anna Netrebko, begleitet von Daniel Barenboim, am 17. August 2009 „in der Stille der Nacht“ zu einer sehr intimen musikalischen Begegnung ins Salzburger Festspielhaus geladen hatte. Netrebko hatte diesen Liederabend ganz ihrer russischen Heimat gewidmet.

Bei den „Romanzen“ handelt es sich um eine spezielle Form des russischen Kunstliedes, das es vor allem Pjotr I. Tschaikowsky erlaubt hat, ähnlich wie bei Schubert, mit seiner Musik und den Worten russischer Dichter große persönliche Emotionen auszudrücken. Gemeint ist damit die unterdrückte, kaum ausgelebte Homosexualität des Komponisten. In „trüben Tagen“ op. 73 Nr. 5 ist in seinem Todesjahr 1893 entstanden, als schwärmerische Ansprache eines imaginären Gegenübers: „Ich möchte leidenschaftlich wieder leben; durch dich atmen und dich lieben!“

Wen Tschaikowsky damit gemeint haben könnte, ist nicht bekannt, von Anna Netrebko aber mit der Botschaft des Opus 47 außer Frage gestellt: „Gedanken, Gefühle, Lieder, Lebenskraft – alles für dich!“

Cecilia Bartoli: Sacrificium

 

Opfer im Namen der Musik

Eine besonders schöne Stimme konnte Knaben durchaus zum Verhängnis werden. Bis ins 19. Jahrhundert (es gibt sogar noch die Tonaufnahme eines Kastraten) wurden ihnen „rechtzeitig“ die Hoden entfernt oder die Samenleiter unterbunden.

Die Auswirkungen eines solchen Eingriffes sind bekannt. Unter anderem bleibt der Kehle einer solch bedauernswerten Kreatur auch im Erwachsenenalter ihr strahlender Sopran oder kräftiger Alt erhalten.

Einer der großen Schuldigen mag St. Paulus gewesen sein. Er schreibt in einem seiner Briefe, dass „in allen Gemeinden der Heiligen die Frauen in der Versammlung schweigen sollen“. Ob damit der Frauengesang gemeint war, bleibt offen. Aber zuerst war es die Kirche, die dort die weiblichen Stimmen verbot, dann folgten die Theater, in denen Kastraten zu illustren Stars aufsteigen konnten.

Cecilia Bartoli; Sacrificium, Il Giardino Armonico unter Giovanni Antonini, erschienen bei DECCA.

 

Die Illustrationen wurden dem Booklett der o.b. CD entnommen.

„Evviva il coltellino!“ brüllte begeistert das Publikum, wenn es vom Gesang des Kastraten hingerissen war, „es lebe das Messerchen!“ Was den meisten von uns pervers erscheinen mag, war damals große Mode im Musikbusiness.

Die Knaben hatten ihr Sacrificium, ihr Opfer, im Namen der Musik dargebracht und den zweifelhaften Lohn dafür erhalten, dass sie mit metallisch heller Stimme schwierigste Arien bewältigten. Cecilia Bartoli hat sich diesem Thema in unvergleichlicher Weise angenommen und Kastratenarien aus Opern des 17. und 18. Jahrhunderts auf CD aufgenommen. Keine andere Sängerin, auch kein Countertenor scheint dafür geeigneter zu sein. Nur dieser Frau traut man das große Herz zu, sich diesen androgynen Gestalten ohne Scheu nähern zu können. Mit ihrer kraftvollen und artitstisch virtuosen Stimme lässt sie uns diese eigenartige Stimmung spüren, die damals beim Gesang eines Kastraten geherrscht haben muss.

Zur Seite steht ihr das Ensemble Il Giardino Armonico unter der Leitung von Giovanni Antonini. Das Booklett bietet umfangreichen Wissensstoff zum Phänomen der Kastratensänger und sogar ein Foto von Kastraten im päpstlichen Chor aus dem Jahre 1898!

 

Ein Festival zum 240. Geburtstag von Ludwig van Beethoven

 

 

 

 

Eine längst fällige Schuld

 

Man möchte es nicht für wahr haben, aber es ist tatsächlich das erste Beethoven-Festival in Wien, das heuer – fast möchte man sagen, in aller Stille – diesem so zutiefst österreichischen Komponisten gewidmet ist. Initiiert wurde es von Susanne Rittenauer, Präsidentin des Beethoven Center Vienna.

 

Die Veranstaltungsreihe erfuhr mit einem Konzert von Jörg Demus am 10. Juni unbestreitbar einen Höhepunkt. Ort (Beethoven-Saal der Pfarre Heiligenstadt), Programm (Sonate Pathéthique, Waldssteinsonate, Sonate E-dur op. 109, Sonate As-Dur op. 110 und als Draufgaben Bagatellen, die Beethoven in Heiligenstadt komponiert hat) und eine in ihrer bedingungslosen Wucht an den Meister selbst gemahnende Interpretation bewirkten in ihrer Intensität einen Zeitsprung in der Seele des Zuhörers.

Das Glas Beethoven-Wein im Anschluss mag noch das Seine zur Authentizität beigetragen haben, denn zuständig für Beethoven-Weine (Cuvée Eroica und Beethoven No. 9) ist das Weingut Mayer am Pfarrplatz, wo Beethoven 1817 gewohnt und an seiner 9. Symphonie gearbeitet hat. Vom Gastgarten aus kann man noch die Wohnung Beethovens über eine kleine Stiege erreichen.

 

Fortgesetzt wurde das Festival am 22. Juni mit einem Festkonzert Österreich-Japan des Beethoven Center Vienna im Festsaal der Bezirksvorstehung 1190 Wien, Gatterburggasse 14.

 

Der Abschluss am 31. Juli wurde nach Niederösterreich verlegt, ins Kloster Und - als Verbeugung vor der Beethovengedenkstätte in Gneixendorf.

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